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Märchen: St. Martinus, der fromme Reitersmann
 

 
©RCAguilar
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DISCLAIMER
These Fairy Tales were found in various old German books. Some of them (the slavic tales) are from an old German text, having been translated from the Russian. Others came from torn-up antique readers and books published before 1930.
These tales are published here for educational purposes only. Learn something!

St. Martinus, der fromme Reitersmann

 
Peter Rosegger

Der heilige Martinus ist einmal an einem späten Abend über die Heide geritten. Steinhart ist der Boden gefroren und das klingt ordentlich, so oft das Roß seinen Fuß in die Erde setzt. Die Schneeflöcklein tänzeln umher, kein einziges vergeht. Schon will die Nacht anbrechen, und das Roß trabt über die Heide und der Reitersmann zieht seinen weiten Mantel zusammen, so eng es hat gehen mögen.

Und wie er so hinfährt, da sieht er auf einmal ein Bettelmännlein an einem Stein; das hat nur ein zerrissenes Jöpplein an und zittert vor Kälte und hebt sein betrübtes Auge auf zum hohen Roß. Hu! und wei das der Reiter sieht, hält er sein Tier an und ruft zum Bettler nieder: "Ja, du lieber, armer Mann, was soll ich dir reichen? Gold und Silber hab' ich nicht und mein Schwert kannst nimmer brauchen. Wie soll ich dir helfen?" Da senkt der Bettelmann sein weißes Haupt nieder gegen die halbentblößte Brust und tut einen Seufzer.

Der Reiter aber zieht sein Schwert, nimmt seinen Mantel von den Schultern und schneidet ihn mitten auseinander. Den einen Teil läßt er hinabfallen zu dem armen, zitternden Greise: "Hab' vorlieb damit, mein notleidender Bruder!" Den andern Teil des Mantels schlingt er, so gut es geht, um seinen eigenen Leib und reitet davon.

Wie der Reitersmann nachher in der Nacht daheim auf seinem harten Polster ruhsam schläft, kommt derselbe Bettler von der Heide zu seinem Bett, zeigt ihm Lächelnd den Mantelteil, zeigt ihm die Nägelwunden an den Händen und zeigt ihm sein Angesicht, das nicht mehr alt und kummervoll ist, sondern strahlt wie die Sonne. Der Bettelmann auf der Heide ist der liebe Gott selber gewesen.