Der heilige Martinus ist einmal an einem
späten Abend über die Heide geritten. Steinhart ist der
Boden gefroren und das klingt ordentlich, so oft das Roß
seinen Fuß in die Erde setzt. Die Schneeflöcklein tänzeln
umher, kein einziges vergeht. Schon will die Nacht anbrechen,
und das Roß trabt über die Heide und der Reitersmann zieht
seinen weiten Mantel zusammen, so eng es hat gehen mögen.
Und wie er so hinfährt, da sieht er auf
einmal ein Bettelmännlein an einem Stein; das hat nur ein
zerrissenes Jöpplein an und zittert vor Kälte und hebt sein
betrübtes Auge auf zum hohen Roß. Hu! und wei das der Reiter
sieht, hält er sein Tier an und ruft zum Bettler nieder:
"Ja, du lieber, armer Mann, was soll ich dir reichen? Gold
und Silber hab' ich nicht und mein Schwert kannst nimmer
brauchen. Wie soll ich dir helfen?" Da senkt der Bettelmann
sein weißes Haupt nieder gegen die halbentblößte Brust und
tut einen Seufzer.
Der Reiter aber zieht sein Schwert, nimmt
seinen Mantel von den Schultern und schneidet ihn mitten
auseinander. Den einen Teil läßt er hinabfallen zu dem armen,
zitternden Greise: "Hab' vorlieb damit, mein notleidender
Bruder!" Den andern Teil des Mantels schlingt er, so gut
es geht, um seinen eigenen Leib und reitet davon.
Wie der Reitersmann nachher in der Nacht
daheim auf seinem harten Polster ruhsam schläft, kommt derselbe
Bettler von der Heide zu seinem Bett, zeigt ihm Lächelnd
den Mantelteil, zeigt ihm die Nägelwunden an den Händen
und zeigt ihm sein Angesicht, das nicht mehr alt und kummervoll
ist, sondern strahlt wie die Sonne. Der Bettelmann auf der
Heide ist der liebe Gott selber gewesen.
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